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Ein Dach über dem Kopf reicht nicht

Mit der Neustrukturierung des Asylbereichs werden sich auch die Unterbringungsbedingungen für Asylsuchende in der Schweiz ändern. In sechs Regionen der Schweiz wird es grosse Bundesasylzentren geben. Angestrebt ist die Beschleunigung des Asylverfahrens. Doch was bedeutet dies für die dort untergebrachten Personen?


Unterbringung im heutigen Asylverfahren

Heute werden Asylsuchende in einem der sechs Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) oder an einem Flughafen aufgenommen und registriert. Aus Platzgründen sind auch mehrere Aussenstellen in Betrieb, meist Gebäude der Armee in sehr abgelegenen Gebieten. In den Unterkünften des Bundes herrscht ein strenges Ausgangsregime und der Zutritt ist der Öffentlichkeit grundsätzlich untersagt. Kinder werden nicht eingeschult und es gibt kaum Lern- und Freizeitangebote. Diese Angebote müssen meist durch freiwillige Gruppierungen organisiert werden, eine erfreuliche Ausnahme ist das Pilotprojekt «Kinderfreundliche Räume». Die Verantwortung für die Betreuung, Versorgung und Sicherheit im Zentrum wird an private Unternehmen delegiert. Diese legen oft einen starken Fokus auf die Sicherheit, wobei eine fachgerechte Betreuung zu kurz kommen kann. Die maximale Aufenthaltsdauer in den EVZ und deren Aussenstellen beträgt 90 Tage. Danach werden die Asylsuchenden gemäss einem Verteilschlüssel nach Bevölkerungsgrösse auf die Kantone verteilt und dort unter sehr unterschiedlichen Bedingungen untergebracht. Als Unterkünfte dienen dort Container oder Zivilschutzanlagen, aber auch ehemalige Gruppenhäuser und Wohnungen.


Neue Bundeasylzentren

In Zukunft sollen alle Asylgesuche in neuen, grösseren Zentren des Bundes eingereicht, geprüft und entschieden werden. Die Asylsuchenden sollen in der Regel während dem Verfahren nicht mehr auf die Kantone verteilt und dieses soll innert 140 Tagen abgeschlossen werden. Mit der Begründung, dass die Personen jederzeit für die Verfahrensschritte erreichbar sein müssen, sollen auch in diesen Zentren eingeschränkte Ausgangszeiten gelten. Braucht es genauere Abklärungen zu einem Asylgesuch, kommt die Person ins sogenannte «erweiterte Verfahren» und wird trotzdem einem Kanton zugeteilt. Wenn eine asylsuchende Person die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet oder den Betrieb des Zentrums stört, soll sie in ein «besonderes Zentrum» mit noch stärker eingeschränkten Ausgangsmöglichkeiten verlegt werden können. Die Schwelle für eine solche Zuweisung ist äusserst niedrig.


Soziale Austauschmöglichkeiten sind zentral

Die geplante Zentralisierung der Unterbringung und die bereits heute geltenden, restriktiven Ausgangsregelungen bieten die Gefahr einer Isolation von Asylsuchenden. Ein Gutachten zuhanden der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus kam kürzlich zum Schluss, dass die heutige Regelung der Ausgangszeiten in den Unterkünften des Bundes unverhältnismässig ist. Die sozialen Austauschmöglichkeiten sind zu stark eingeschränkt. Die abgelegene Lage einiger Zentren erschwert dies zusätzlich. Es ist für Asylsuchende teilweise kaum möglich, an andere Orte oder in die nächstgelegene Stadt zu gelangen, um alltägliche Dinge wie Einkäufe zu erledigen. Zudem wird auch die Begegnung mit der Bevölkerung verhindert.


Begrenzte Ausgangsmöglichkeiten gepaart mit dem fehlenden Kontakt zur Aussenwelt, stellen einen Eingriff in die Bewegungsfreiheit dar. Denn sie erfolgen ohne jeglichen Strafcharakter. Es gibt keine sachlichen Gründe dafür, dass Personen, die in der Schweiz Schutz suchen, ihre Unterkunft nur während bestimmten Zeiten verlassen dürfen. Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit gelten unabhängig vom Aufenthaltsstatus für alle Menschen. Sollen Geflüchtete möglichst rasch an unserer Gesellschaft teilhaben können, muss ihnen mehr als nur ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stehen.


Von Fabienne Bratoljic

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